Wie können Kinder ihre Rechte besser wahrnehmen? Wie und wo können sie sich beschweren?
Durch den Tag begleitete professionell und mit viel Schwung Frau Yvonne Rehmann. Sie ist freiberufliche Referentin für Kindertageseinrichtungen und Familienzentren sowie u. a. Mitglied im Institut für Partizipation und Bildung e.V.
“Warum jede Kita die Kinderrechte neu erfinden muss“
Für uns Erwachsene ist es selbstverständlich, Entscheidungen im Alltag selbst zu treffen und an gesellschaftlichen Entscheidungen teilzuhaben – für Kinder ist das trotz gesetzlich verbriefter Kinderrechte nicht immer selbstverständlich! In den Juwo-Kitas ist die Gestaltung eines partizipationsfreundlichen Umfelds ein Thema, mit dem die pädagogischen Fachkräfte täglich zu tun haben. Es ist die kontinuierliche Aufgabe der Teams, dafür zu sorgen, dass die Kinderrechte kleinteilig geklärt und verbindlich umgesetzt werden, damit sie in allen Bereichen des Kita-Alltags situations- und personenunabhängig gelten. Denn ohne Beteiligung gibt es keine Bildung, ohne Beteiligung gibt es keine Demokratie und ohne Kinderrechte gibt es keinen (institutionellen) Kinderschutz!
„Arbeitsgruppen Kinderrechte“
Alle Anwesenden verteilten sich auf fünf Arbeitsgruppen. In diesen wurde als Methode vermittelt und ausprobiert, wie in den Kitas die Rechte der Kinder konkret und kleinteilig geklärt werden können. Dabei ist die Leitfrage, auf die man sich einigt, stets: Wer entscheidet das? Entscheiden das die Kinder allein, die Kinder mit den Erwachsenen gemeinsam oder ganz klar die Erwachsenen?
Die erste Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit den Rechten der Kinder bei Mahlzeiten. Wer entscheidet was zu Essen serviert wird? Wann gibt es Essen? Wie und wieviel wird gegessen?
Arbeitsgruppe zwei befasste sich mit den Rechten der Kinder rund um die Kleidung. Es ging darum, wer bestimmt, wie Kinder sich drinnen oder draußen kleiden, sowie um Verbesserungsvorschläge, z. B. zu bereitgestellter Wechselwäsche im Haus und zu Methoden zur Veranschaulichung, z. B. Bilder in Garderoben.
In der dritten Arbeitsgruppe ging es um das Spielen. Was wird gespielt? Mit wem wird gespielt? Wann wird gespielt? Die Gruppe sammelte u. a. Ideen zur Aufklärung über mögliche Gefahren, Konsequenzen, sowie Vorbildern und Selbstbewusstsein beim Spielen.
Die vierte Arbeitsgruppe nahm sich den Rechten und dem Entscheidungsfreiraum der Kinder zur Körperhygiene an. Fragen wie: Wer entscheidet, wann sie auf die Toilette gehen oder wann die Hände gewaschen werden? wurden diskutiert. Das Schaffen eines Umfelds ohne Bloßstellung bzw. Beschämung und das Erkennen von den Bedürfnissen, die hinter den Handlungen der Kinder stecken, ist wichtig, um die Kinder bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen.
Die fünfte Arbeitsgruppe setzte sich mit dem Ruhen und Schlafen auseinander. Wer gibt vor, wann und wie lange geschlafen wird? Werden Pyjamas/Nachthemden getragen? Von wem werden die Kinder begleitet? Um den Kindern ihr Ruhe- und Schlafbedürfnis noch besser zu ermöglichen, braucht es pädagogische Fachkräfte, die z. B. Rückzugsorte und eine entspannte Umgebung schaffen, die die Kinder dabei unterstützen, ihre eigenen Bedürfnisse besser wahrzunehmen und die das Bewusstsein der Eltern zu diesem Thema schärfen.
Der Dozentin, Yvonne Rehmann, ist bei ihren Besuchen der Arbeitsgruppen aufgefallen, dass die Teilhabe der Kinder an vielen dieser Entscheidungen in den Juwo-Kitas bereits selbstverständlich ist. Dies stellte sie als Besonderheit in der Berliner Kitalandschaft positiv heraus. Dennoch wird in den Juwo-Kitas beständig an diesem Thema weitergearbeitet.
„Wie Kinder sich wirkungsvoll beschweren können.“
Am Nachmittag beschäftigten sich die Teilnehmenden mit dem Thema „Beschwerden“, in welches Frau Rehmann einführte: Das Beschwerde-Recht der Kinder hängt eng mit dem Schutz der Kinder zusammen. Denn pädagogische Beziehungen sind immer Macht-Beziehungen und Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte ist es, dieses Machtverhältnis mithilfe konkreter Rechte so zu gestalten, dass Kinder vor willkürlicher Ausübung von Macht und vor Machtmissbrauch geschützt werden.
Frau Rehmann stellte das Konzept der „demokratischen Kita“ (nach dem Modellprojekt „Kinderstube der Demokratie“) vor. Dieses besteht aus drei Säulen: einer Kita-Verfassung, die die Rechte der Kinder verbindlich klärt, Beteiligungsprojekten, die zur Partizipation und Meinungsabgabe ermutigen und einem geregelten Beschwerdeverfahren, was die Kinder vor Machtmissbrauch schützt. Diese Säulen sind auf dem Fundament begründet, dass die pädagogischen Fachkräfte dialogische Interaktionen mit den Kindern gestalten.
In den Juwo-Kitas herrscht ein Klima, das die Beteiligung fördert und Beschwerden erleichtert. Die Kinder werden darüber aufgeklärt und dazu ermutigt sich zu beschweren, wenn ihnen etwas nicht gefällt. In manchen Juwo-Kitas gibt es Kindersprechstunden mit der Kitaleitung, bei denen Kinder sich beschweren und ihre konkreten Anliegen besprechen können. In anderen Kitas gibt es Kinderkonferenzen, in denen über Belange der Kindergruppe diskutiert und abgestimmt wird.
In Kleingruppen wurden anschließend unterschiedliche Leitfragen bearbeitet. Dabei ging es z. B. darum, was es heißt, Macht abzugeben, einen Blick in den biografischen Rucksack zu werfen, in Bilderbüchern nach Inspirationen zum Thema zu suchen, für die Kita passende Beschwerdestellen und -orte zu finden und Ideen zu sammeln, wie man als Team gemeinsam eine beschwerdefreundliche Kita gestalten kann.
Zum Abschluss beschrieb jede Person eine Karte mit einer Idee, die sie vom Fachtag mitgenommen hat und die sie in der Kita umsetzen will. Die Karten wurden kita-weise gesammelt und von Frau Rehmann nach ein paar Wochen an die Kitas geschickt. So bleiben die Ideen frisch! Und „frisch und munter“ waren auch die Schlagworte für das wechselseitige Feedback, was sich die Dozentin und die Teilnehmenden gaben. Der Kita-Fachtag bot mit seinen Inhalten einen Mehrwert für alle Beteiligten. Herzlichen Dank an alle Beteiligten!